Ich wurde von Jürgen quasi gebeten, den Artikel von Mo87 auch hier einzustellen. Hier ist er:
Anläßlich der erneuten Ankündigung eines vorbildwidrigen Herpa Wechselladermodells (090735 Vorbild Holzminden
http://www.herpa.de/collect/%28S%280kk2 ... =1&thumb=1 Vorbild:
http://bos-fahrzeuge.info/einsatzfahrze ... 02#/103343) ein Text, den ich eigentlich schon im Nov letzen Jahres veröffentlichen wollte:
Im Modellmagazin (11 / 2012) wird das nun lieferbare Modell des Wechselladerfahrzeuges der Berufsfeuerwehr Aachen vorgestellt. Ein Foto des Vorbildes finden wir hier:
http://www.cm-foto.de/details.php?image_id=5966,
das Modell hier:
Das Magazin schreibt unter anderem: „(…) ein in allen Belangen überzeugendes Modell in einer vorbildkonformen Umsetzung (…)“
Ich halte dieses Modell, daß gebe ich zu, auf den ersten Blick durchaus für eine Zierde jeder Sammlervitrine. Es ist aber, auf den zweiten Blick, weder überzeugend noch vorbildkonform. Es ist deutlich zu lang und hat einen deutlich zulangen Radstand. Warum das so ist, bedarf eines Blickes in nun fast 30 Jahre Modellbaugeschichte des Hauses Herpa.
Nachdem in den späten siebziger Jahren nur des Wiking Modell des Mercedes Kurzhaubers mit einem schönen AB nach Vorbild Hannover mit sehr stilisierter Multilift Seil Abrollmechanik als Miniatur eines Feuerwehr WLF verfügbar war, überraschte Preiser um 1984 die Modellwelt mit der Ankündigung eines filigranen und vorbildkonformen Modells als Bausatz. Es war der schwere MB – Kurzhauber mit Meiller Wechselgerät und vier unterschiedlichen Abrollbehältern.
Mit den Neuheiten aus Juni 1985 zog Herpa mit der Ankündigung eines MAN – F-8 Dreiachs – Wechselladers in Feuerwehrausführung nach. Die Wechselmechanik, etwas filigraner als die von Preiser, entsprach dem Meiller Vorbild und löste das Problem der Verriegellung etwas vorbildkonformer als Preiser. Gleichzeitig lieferte Herpa ein Werbemodell für die Deutschland Niederlassung des französischen Herstellers Marrell, dessen Wechselgerät im Modell dem Gerät von Meiller sehr ähnlich ist. Ich habe bis heute nicht herausfinden können, ob Herpa eine Meiller oder doch eine Marrell Wechseleinrichtung zum Vorbild nahm.
Es gab zunächst fünf Aufbauten von Herpa: einen nackten Wechselboden (verwendet beim Maag – Militär – Vierachser), eine Stahlmulde mit stilisierten Ladekran, eine kurze niedrige Mulde, eine hohe Schrottmulde und ein Feuerwehr Abrollbehälter mit von auf jeder Seite zwei und im Heck zwei schmalen Rolladen.
Der AB entsprach am ehesten einem AB Schlauch. Später gab es davon, wohl durch Neubau der beiden Seitenschieber der Form und des Heckschiebers als Austauschschiebers, eine Formvariante mit drei Rollos seitlich und einer geteilten Klappe im Heck. Der Rollosatz blieb gleich, die Form mußte nicht umgebaut werden. Quasi wanderten die schmalen Rollos vom Heck nach vorn. Die Anregung zu diesem Umbau kam, so hat er mir berichtet, von Reinhard Merlau. Diese Variante konnte mit gutem Willen einen AB - Umwelt oder AB – Rüst darstellen. Beide AB – Varianten hatten nach meinem derzeitigen Wissensstand kein exaktes Vorbild.
Die in diesen AB eingesetzten Rollos waren nie eine glückliche Lösung. Sie waren wenig vorbildgetreu, es fehlten beispielsweise die Griffe, sie mussten verklebt werden, sie verzogen sich teilweise dabei oder fielen ab und zeigten schon sehr früh Form – Verschleißerscheinungen. Dennoch blieben diese AB fast 25 Jahre der Standard bei Herpa Feuerwehr – Wechselladern, neben der Hochmulde und später der neuen, langen Schrottmulde (von der mir kein einziges Vorbild bei Feuerwehren bekannt ist).
Herpa hat über lange Jahre nur Dreiachs – und einige Vierachs – WLF als Feuerwehrfahrzeuge herausgebracht. Auf das naheliegende, auch Zweiachs – Modelle herauszubringen, die übrigens in den achtziger und neunziger Jahren beim Vorbild deutlich überwogen, kam man offensichtlich nicht, obwohl die Wechselmechanik und die Behälter exakt auch zu Zweiachsern passen würden.
Zu dieser Problematik ist ein kurzer Ausflug in die Norm notwendig:
Ursprünglich waren für Feuerwehren nur zweiachsige Fahrgestelle mit 16 t, später 18 t zGG genormt. Diesen Fahrzeugen entsprachen genormte Abrollbehälter mit einer Hakenhöhe von 1570 mm und einem Gesamtlänge vom 5,90 m (Hakenspitze bis Heck) bzw 5,50 m (nutzbarer Innenraum). Diese AB werden allgemein „5,50 m Klasse“ genannt. Beschafften Feuerwehren Dreiachsfahrzeuge, so wurde diese außerhalb der Norm beschafft und waren in den meisten Bundesländern nicht zuschußfähig.
Erst 2004 wurde auch das Dreiachsfahrgestell mit 26 t und gleicher Hakenhöhe für Feuerwehren genormt. Es konnte natürlich nun auch schwerere AB tragen. Diese hatten eine Gesamtlänge vom 6,90 m (Hakenspitze bis Heck) bzw 6,50 m (nutzbarer Innenraum). Diese AB werden allgemein „6,50 m Klasse“ genannt.
Zur Verdeutlichung folgende Zeichnungen, mit freundlicher Genehmigung der Fa Jerg hier veröffentlicht. Deutlich wird in der zweiten Zeichnung, daß ein Dreiachser sehr wohl einen kurzen 5,50 m AB, ein Zweiachser aber keinen langen 6,50 m AB tragen kann:
Nun hat Herpa vor ca sechs Jahren eine neue Schrottmulde, die „U – Boxx“ für Wechsellader herausgebracht und auch häufig (und vorbildwidrig) für Feuerwehr – WLF eingesetzt. Diese Mulde entspricht mit einer Gesamtlänge von 79 mm exakt einer Mulde der „6,50 m Klasse“ im Maßstab 1 / 87. Sie ist beim Vorbild (und damit vorbildgerecht auch beim Modell) nur für Drei- und Vierachsfahrgestelle geeignet.
Zwischenzeitlich hat Herpa außerdem die Wechselmechanik erneuert. Die neue Mechanik ist länger als die alte und für Dreiachser ausgelegt.
Gleichzeitig begann Herpa erstmalig, auch Zweiachs WLF anzubieten, beispielsweise ein Feuerwehr Axor Zug als Werbemodell für Mercedes Benz und einen Volvo für das Miniatur – Wunderland in Hamburg. Beide waren mit der „U Boxx“ ausgerüstet – Vorbild?
Zur Messe 2012 hat Herpa dann eine neue Familie von Feuerwehr Abrollbehältern herausgebracht. Auch diese Behälter entsprechen mit knapp 79 mm Länge der „6,5 m Klasse“ Nun sind die "schönen neuen" Standard und wollen verkauft werden ...
Genau mit einem solchen AB hat Herpa nun das Aachener WLF wie auch das ebenfalls zweiachsige Essener Modell ausgerüstet. Damit die Sache scheinbar optisch stimmig wirkt und die neue, lange Mechanik verbaut werden kann, hat Herpa dem Aachener Modell ein MAN Fahrgestell mit einem Radstand von ca 62 mm verpasst, das entspricht 5400 mm beim Vorbild. (Das Essener Modell liegt mir nicht vor). Das Vorbild hat aber nur einen Rastand von 4500 mm. (Ich habe die Lieferunterlagen des Lieferanten Michels dazu einsehen können). Der Fehler macht beim Modell immerhin 10,3 mm aus. Des Weiteren endet bei allen Wechselladerfahrzeugen das Fahrgestell sehr kurz hinter der (letzten) Hinterachse. Das ist notwendig, um beim Aufsattelvorgang den Hebelarm zum „Drehpunkt“, das ist die Hinterachse, möglichst kurz zu machen, damit sich das Fahrzeug nicht aufbäumt. Jeder, der schon mal einen Wechselvorgang gesehen hat, kennt dieses Phänomen. Der Überstand zu einem nach hinten überstehendem Abrollbehälter wird beim Vorbild durch einen teleskopierbaren Unterfahrschutz ausgeglichen.
Bild: Radstand und hinterer Fahrgestellüberhang mit Unterfahrschutz bei einem WLF des Ennepe – Ruhr Kreises im Vergleich zum Herpa – Modell Aachen
Dazu noch einmal Zeichnungen der Firma Jerg:
Vorbildwidrig hat Herpa aber hinter der Hinterachse das Heck verlängert, weil auch sonst keine stimmige Optik herzustellen ist und die lange Mechanik sonst nicht paßt. Damit würde beim Vorbild aber der Hebelarm beim Absetzvorgang noch einmal verlängert. Das Phänomen des „Aufbäumens“ würde verstärkt.
Fazit: Alle bisher von Herpa herausgebrachten Zweiachser WLF, egal, ob mit U – Boxx oder den neuen Abrollbehältern, sind grob vorbildwidrig und haben letztendlich die Tendenz zum Phantasieprodukt! Mein Rat an Herpa: Vorbildgerechte Zweiachsfahrgestelle entwickeln, sie sind auch für Kipper nutzbar (oder vorhandene nutzen), die alte Mechanik und die alten Behälter für Zweiachser nutzen und am besten dazu die Rolladeneinsätze der alten AB vorbildgetreu neu machen. Vorbildgetreue neue kurze Behälter wären die Alternative – soweit träumen erlaubt ist …..
PS.: Beim Vorbild des holzmindener Modell ist neben den genannten Fehlern auch das Fahrerhaus anders, nämlich ein halblanges Standarthaus und kein großes „G“ – Fernfahrerhaus ….