Hallo,
oha.
"Die Geschichte der Sondersignale ist eine Geschichte voller Mißverständnisse..." Wie finde ich denn hier mal einen eleganten Einstieg? Vielleicht so:
Alex Müller hat geschrieben:
Wie war, bei uns hat sich mal ein Bürger wegen diesem Lärm aufgeregt und der ist Anwalt für Verkehrsrecht !
Das - die Profesion des Bürgers - erklärt schon mal, warum er sich mit der StVO auskennt, da steht nämlich absolut nichts wie z.B.:
Dirk Lambertz hat geschrieben:
nach §35 StVO müssen die ja mit Blaulicht und Martinshorn fahren
oder
Zitat:
trotz § 35 StVO das Martinshorn auslassen (und so auf eigenes Risiko gegen die StVO verstoßen)
Das ist schlicht und einfach nur falsch und Unsinn und insofern schon mal ein ungünstiger Einstieg. Zur Erinnerung bzw. der ein oder andere wird es vielleicht das erste Mal tatsächlich lesen:
Der
§ 35 StVO regelt bzw. enthält die Sonderrechte. Er sagt aus, daß zur Erfüllung sog. hoheitlicher Aufgaben ausgewählte Verkehrsteilnehmer, bei denen es sich übrigens nicht nur um "Blaulichtnutzer" handeln muß, sondern z.B. sind auch RegTP (früher Post allgemein) oder Müllabfuhr sowie Straßenreinigung explizit aufgeführt, "unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" (!), von den Vorschriften der StVO befreit sind (weswegen er auch im ersten Teil - "Allgemeine Verkehrsregeln" - der StVO zu finden ist). Blaulicht und schon gar akustisches Sondersignal werden hier nicht mit einer Silbe erwähnt!
Der
§ 38 StVO regelt bzw. enthält hingegen blaues sowie gelbes Blinklicht und zählt zum zweiten Teil - Zeichen und Verkehrseinrichtungen - der StVO. Hier findet sich das sog. Wegerecht: "Blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn [...] ordnet an: Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen".
Was sagt uns das? Sonderrechte nach § 35 StVO haben nicht zwangsläufig was mit Wegerechten nach § 38 StVO zu tun (umgekehrt übrigens auch nicht, Bsp. RTW im Stau auf der Autobahn, dessen Pat. zwar den normalen Transport gut verkraftet hätte, aber nicht unbedingt die drei Stunden Stau), an sich nicht mal was mit blauen Lichtern an Autos, das sog. Wegerecht ist hingegen an Blaulicht
und Einsatzhorn gebunden und der Gesetzgeber kennt darüber hinaus sogar "Einsatzfahrten", siehe § 38 Absatz 2: "Blaues Blinklicht allein darf nur von den damit ausgerüsteten Fahrzeugen und nur [...] bei Einsatzfahrten [...] verwendet werden." Sachen wie diese:
Sven Skibbe hat geschrieben:
Da kam vorm Ordnungsamt aber dann mal die Aussage "[...] Seien sie froh das die Rettungsdienstmitarbeiter damit schon sehr sparsam umgehen! Rein rechtlich dürfen sie es nämlich nicht ausschalten!"
Lassen mich daher eher schmunzeln; vielleicht hätte sich bei besagtem Ordnungsamt mal jemand kundig machen, das Rechtsamt oder irgendeinen anderen Fachmann fragen sollen...
Jetzt mal von der grauen (StVO-) Theorie zur Praxis:
Dirk Lambertz hat geschrieben:
Wir haben eine unübersichtliche Kreuzung beim rausfahren und wenn ich Maschi bin (das zu 90%) egal welche Uhrzeit HORN kurz an und raus.
Kann man so machen, will ich Dich auch gar nicht von abhalten, mach ich manchmal auch so, muß jeder selbst wissen. Aber - grundsätzlich verhält es sich doch so: a) Tagsüber - Autos an der Kreuzung, ich fahr raus und "brauche" an der Kreuzung das Wegerecht, mach das Horn also an, fahr an die Kreuzung, halte ggf. an, gucke, ob mich auch wirklich alle Verkehrsteilnehmer gesehen haben, und überquere die Kreuzung dann. b) Nachts, weit und breit kein Schw... zu sehen, ich fahr raus und muß im Prinzip mangels anderer Verkehrsteilnehmer das Wegerecht erst gar nicht bemühen (über rote Ampel ist Sonderrecht - § 35!), muß mich aber an der Kreuzung sehr wohl vergewissern, daß da wirklich niemand ist, halte also ggf. auch an und gucke und fahr dann weiter. Was bringt mir im Prinzip das Hörnchen da, nachsehen und ggf. anhalten muß ich sowieso. Das Horn ist da sowieso kein Persilschein, kurz Horn gezogen und drüber ist nicht, weil dann, wenn's dumm läuft, siehe § 35 Abs. 8, die "öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gebührend berücksichtigt" war (auch bezogen auf das Bsp. Deines Kollegen - wäre das Horn angewesen, hätte es für ihn nicht zwangsläufig besser laufen müssen).
Einsatzfahrten nachts, in der absolut verkehrsruhigen Zeit so etwa zwischen 1:00 und 4:00 Uhr, versuche ich persönlich i.d.R. mit sowenig Horn wie möglich zu bewältigen. Ich habe solche Fahrten auch schon ganz ohne Horn "geschafft", wobei es dann sicherlich nicht mit 120 km/h durch die Zone 30 ging. Bei einer Fahrt hauptsächlich auf Vorfahrtstraßen ohne unübersichtliche Einmündungen (man muß ja auch damit rechnen, daß einem selbst die Vorfahrt genommen wird; wobei auch hier dann das Horn nicht wirklich weiterhilft) und jeglichen anderen Verkehr sehe ich da kein gravierendes Problem. Bei jemandem, der aber tatsächlich nachts um 3 nach dem Motto "Horn noch in der Halle an und erst an der Einsatzstellen wieder aus" verfährt, denke ich mir ganz persönlich ehrlich gesagt auch "der Idiot von XY", das muß m.E. nun wirklich nicht sein. Nur weil irgendjemand nachts zu irgendeinem Notfall mit Priorität fahren muß, stellt dies für mich noch lange keine hinreichende Begründung dar, mir den Schlaf (ggf. völlig unnötig) zu rauben. Was ich mir hingegen (für uns) mal sehr wünschen würde wäre, daß einigen Legenden (siehe hier, vom Zitieren der nicht zutreffenden Paragraphen bis zum Klassiker "Blaulicht immer nur mit Horn...") endlich mal ausgemerzt würden, dafür den Fahrern aber mal deutlich mitgeteilt würde, daß z.B. noch so viel Horn bei 120 km/h im geschlossenen Ortsbereich letztlich nichts nützt! § 35 Abs.8 hat da eigentlich einen ganz schönen Inhalt, denn dort steht ja nichts anderes, als daß das alles - § 35, § 38, Sonderrecht, Wegerecht, Blaulicht, Horn - mit dem nötigen Augenmaß zu geschehen hat.
Zuletzt:
Dirk Schramm hat geschrieben:
In diesem Zusammenhang: Gab es nicht mal eine sogenannte "Tag-/Nachtschaltung" für die Sondersignale? Bei dieser Schaltung wurde in den Nachtstunden die Dezibelzahl erheblich reduziert. Gibt es das nicht mehr?
Die gab es mal und gibt es vermutlich noch, allerdings nicht in der von Dir beschriebenen (unterstrichenen) Weise, denn die akustischen Sondersignale sind inkl. der "Lautstärke" in der DIN 14610 geregelt (mind. 110 dB(A)), sondern es handelte sich einfach um einen Kombination des (meist originalen) Max B. Martin -Horns mit einem elektronisch (oder elektro-mechanischen - "Bosch"-Hörner) erzeugten Einsatzhorn, das hat allein etwas mit der Empfindung der Sinale durch den Menschen zu tun, da kommen Ober- und Untertöne, Frequenzen usw. ins Spiel.
Gruß
Daniel