Erneut an Historiker: Wer weiß etwas zu dieser Leiter?

Harald Karutz · **Registriert:** 19.04.2007, 19:00 **Beiträge:** 1635

An den Weihnachstagen gab es für mich einen schier unglaublichen Zufallsfund: Ich bin auf dieses Foto einer alten Leiter gestoßen. Angeblich, so sagte es mir die Besitzerin dieses Bildes, ist eine Leiter zu sehen, die etwa um 1910 an die städtische freiwillige Feuerwehr in Mülheim an der Ruhr ausgeliefert worden sein soll - hergestellt von der Schmiede Bergmann (Duisburger Straße), ebenfalls in Mülheim an der Ruhr.

Möglicherweise ist die Leiter aber auch nur dort repariert worden. Auch die Angabe 1910 ist nicht sicher. Deshalb meine Frage: Wer kann irgendwelche hilfreichen Angaben zu diesem "Fahrzeug" machen?

- Gab es andere bekannte Leitern der Fa. Bergmann aus Mülheim (!)?
- Ist dieser Leitertyp in irgend einer Weise "typisch" gewesen?
- Kann jemand anhand der Bauart erkennen, ob es möglicherweise eine Leiter eines anderen Herstellers ist?

Über jede Antwort freue ich mich, zumal die Zeit vor 1945 in Mülheim, was die Feuerwehrgeschichte angeht, ein wirklich unbearbeitetes Feld ist und es so gut wie keine Informationen gibt - schon gar keine Bilder!

Volker Hohenberger · **Registriert:** 03.05.2009, 19:47 **Beiträge:** 138

die Meisten Fragen kann ich dir leider nicht beantworten, allerdings verfügt das Feuerwehrmuseum Nürnberg über mehrere Leitern ähnlicher Bauart, die alle Anfang des 20. Jahrhunderts hergestellt wurden.

http://www.feuerwehrmuseum-nuernberg.de ... iter_7.JPG

Klausmartin Friedrich · **Registriert:** 17.10.2007, 14:39 **Beiträge:** 676

Hallo zusammen,
ich denke schon, dass die grundsätzliche Konstruktion dieser Leiter einem um die Jahrhundertwende üblichen Typ entspricht. Einige Details sind etwas anders als an mir bekannten Leitern gelöst, aber das Prnzip ist identisch. Des handelt sich um eine "fahrbare Schiebleiter" (nicht: Schiebeleiter) in handgezogener, einachsiger, zweiteiliger Ausführung, wie sie ab etwa 1875 vielfach verwendet wurde. Erfunden worden waren sie schon etwa 100 Jahre früher. Quelle dazu: Manfred Gihl: Drehleitern, Stuttgart 1984.

Auf der linken Seite sind die schwarz lackierten Griffe für den Transport. Ich gehe davon aus, dass sie (nach rechts) geschoben wurde, denn ein Abrutschen beim Ziehen nach links hätte unweigerlich ein Aufsetzen der Stützen und damit eine nachhaltige Beschädigung der Leiter zur Folge gehabt. Hier fehlen eben irgendwelche Hilfsräder, die an anderen Leitern zu finden sind.

An der Einsatzstelle angekommen, wird das Fahrzeug mit den Handgriffen in Richtung Gebäude aufgestellt. Jetzt wird das Seil an der Winde (mit Rückfallhaken) aufgewickelt und die Leiter beginnt sich zu heben. Dabei senken sich auch die beiden Abstützstangen mit den Stahlfüßen zu Boden, können aus ihren schwarzen Halterungen entnommen werden und etwa in Höhe der Winde leicht seitlich nach außen gespreizt auf den Boden gestellt werden. Möglicherweise lassen sich die Stahlfüße noch ein wenig ausziehen, auf der vorderen Abstützstange scheint ein Bolzen mit Öse zu sitzen. Das Auftrennen der aus einem Holz bestehenden Abstützungen mit dem dann dazwischen gesetzten Klotz dient einer großeren Knicksteifigkeit der Konstruktion.

Hat das untere Leiterende den Boden erreicht, führt weiteres Aufwickeln des Seiles dazu, dass das obere Leiterteil ausgezogen wird. Bei diesem Modell handelt es sich also um eine Leiter mit nur einer Seilwinde, die von Volker verlinkte Schiebleiter hat deutlich erkennbar zwei unabhängige Winden. Dort sind auch Spindelstützen zu finden, die hier ganz fehlen.

Wenn ich mich nicht verzählt habe, hat das untere Leiterteil 17 Sprossen und entspricht damit den heutigen DIN- Leitern. Diese erreichen in zweiteiliger Ausführung (nicht mehr genormt) eine Einsatzhöhe von 9,70m und reichen damit i.d.R. bis zum 2. Obergeschoss.

Wie um die Jahrhundertwende üblich, wurde die Leiter relativ steil (vgl. die Neigung der Materialkiste auf der Achse) aufgestellt, vor allem, um die Kippneigung zu vermindern. Aufgrund der Konstruktion ist auch ein flacheres Aufstellen gar nicht sicher möglich, da es keine Rasten (z.b. einen Zahnkranz) für andere Leiterneigungen gibt.

Auf dem oberen Leiterteil ist noch eine interessante Zusatzeinrichtung zu sehen: Es gibt ein kleines Standbrett(?) für einen Feuerwehrmann, welches ihm bei Hochklettern jedoch eher im Weg ist. Ich bin mir nicht sicher, wie es tatsächlich befestigt ist, eventuell gibt es einen Klappmechanismus. Weiterhin sind da noch zwei Stahlbügel in Dreiecksform zu sehen. Möglicherweise dienen sie dem "Steiger" an der Spitze zum Festhalten oder Festschnallen.

Irritieren tun mich in diesem Zusammenhang ein an der Leiterspitze sichtbares weiteres Holzteil, das in der Neigung nicht mit der Leiter übereinstimmt sowie ein Metallbolzen im oberen Leiterteil. Kann hier die ganze Konstruktion noch von Hand verlängert werden, lassen sich irgendwelche Teile (z.B. die Stahlbügel) ausklappen? Vielleicht weiß ein anderes Forumsmitglied hier weiter.

Schönen Gruß
Klausmartin

Harald Karutz · **Registriert:** 19.04.2007, 19:00 **Beiträge:** 1635

@ Klausmartin: Super! Ganz herzlichen Dank für Deine ausführliche Antwort! Das hilft mir schon sehr weiter! (@ Volker - Dir natürlich ebenfalls besten Dank!)

:wink:

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